Die steigende Anzahl an Weltraumschrottobjekten stellt eine große Gefahr für aktive Satelliten dar. Neben den aktuell ca. 7.000 aktiven und 3.000 inaktiven Satelliten, umkreisen ca. 30.000 Objekte größer als 10 cm unseren Planeten. Der drastische Anstieg ist in erster Linie auf kommerzielle Satellitenbetreiber zurückzuführen. Statistische Modelle der ESA gehen von einer geschätzten Anzahl von 1 Million Objekten größer als 1 cm und 130 Millionen Trümmern größer als 1 mm aus. Die SLR-Station Graz des IWF hat eine internationale Führungsposition bei der Erforschung von Weltraumschrott eingenommen und kann die Entfernung von Objekten bis zu einer Größe von 1 Meter hochgenau bestimmen. Zusätzlich wird das reflektierte Sonnenlicht von Objekten bis zum geostationären Orbit vermessen.

Im Jahre 1957 wurde der erste Satellit (Sputnik-1) ins All transportiert. Seither steigt die Anzahl an Objekten drastisch an. Radarmessungen erlauben eine Identifizierung und ungefähre Orbitbestimmung von Objekten bis zu einer Größe von ca. 10 cm. Aus einer linear wachsenden Anzahl an Satelliten (Payload, PL) bis zum Jahr 2018 ist heutzutage ein exponentieller Anstieg geworden. Zwei einschneidende Vorfälle haben die Anzahl an Satellitenfragmenten (Payload Fragmentation, PF) sprunghaft erhöht: Ein Anti-Satelliten-Waffentest im Jahr 2007 und die Kollision zweier größerer Satelliten im Jahr 2009. Andere Kategorien mit einer größeren Anzahl an Objekten im Erdorbit sind alte/kaputte Satelliten (Payload Debris, PD), Raketenstufen (Rocket Bodies, RB) und zerbrochene Teile von Raketenstufen (Rocket Fragmentation, RF). Der große Teil an unidentifizierten Objekten (Unidentified, UI) resultiert vom technologischen Fortschritt in den vergangenen Jahren, sodass immer kleinere Objekte entdeckt wurden. Gleichzeitig hat sich die Gesamtmasse an Objekten im Erdorbit auf 10.000 Tonnen erhöht.

Weltraumschrottobjekte bestehen hauptsächlich aus Raketenstufen, Teilen von Explosionen (z.B. durch alternde Batterien, Treibstoffreste), Kollisionen von Satelliten oder Trümmern oder von Überbleibseln von Anti-Satelliten Tests. Abhängig von der Orbithöhe, Größe bzw. Masse verbleiben diese Objekte für eine sehr lange Zeit im Orbit. Während Objekte in 500 km Entfernung in einem Zeitraum von einigen Jahren wieder in die Erdatmosphäre eintreten, erhöht sich dieser Zeitraum auf mehr als 1.000 Jahre bei Orbithöhen größer als 1.000 km. Ohne eine Strategie für die Beseitigung von Weltraumschrott wird der Erdorbit in Zukunft immer schwieriger nutzbar. Durch atmosphärische Reibung verglühen kleinere Objekte beim Wiedereintritt. Größere Objekte, wie z.B. Raketenoberstufen oder alte Satelliten, können jedoch auch die Erdoberfläche erreichen und eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen.

Space debris laser ranging

Durch die Verwendung eines Lasers mit einer höheren Leistung ist es auch möglich, über die diffuse Reflexion von Satelliten oder Weltraumschrott die Entfernung zu vermessen (space debris laser ranging). Dafür werden keine Retroreflektoren benötigt. Da sich die Reflexion dabei über einen größeren Winkelbereich verteilt, kommen für jeden ausgesendeten Laserpuls immer nur einzelne reflektierte Lichtteilchen bei den Detektoren der Station an. Durch die hohe Wiederholrate (200 Hz) der Entfernungsmessung erhält man dadurch zusätzlich eine Tiefeninformation des Weltraumschrotts. Photonen können statistisch von allen Weltraumschrott-Komponenten, die sich in Blickrichtung entweder näher oder weiter von uns entfernt befinden, reflektiert werden. Dadurch können auch Rückschlüsse auf die Größe des Objektes gezogen werden. Rotierende Objekte zeigen periodisch variierende Entfernungen, aus denen die Rotationsperiode und die Orientierung der Rotationsachse bestimmt werden kann.

Space Debris Laser Ranging bei Tag

Im Jahr 2020 gelangen der SLR-Station Graz weltweit erstmals Entfernungsmessungen zu Weltraumschrott bei Tageslicht. Aufgrund der ungenauen Orbitvorhersagen ist es notwendig, während der Messung das Objekt auf einer Kamera darzustellen. Das Bild des Satelliten oder Weltraumschrotts, das einem Stern gleicht, wird im Gesichtsfeld des Empfangsteleskops zentriert, wodurch es möglich ist, den Suchbereich am Himmel deutlich zu verringern. Daher waren Entfernungsmessungen zu Weltraumschrott bislang nur bei Tag möglich, wenn es hinreichend dunkel ist, Objekte von der Sonne beleuchtet sind, sich aber nicht im Erdschatten befinden. Das hat den Beobachtungszeitraum auf wenige Stunden nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang eingeschränkt. Um die Beobachtungsmethode auf den Tageslichtbetrieb zu erweitern, war es daher nötig, Satelliten bzw. Weltraumschrott auch bei Tag zu visualisieren. Eine optimierte Kombination von Filter, Kamera und Teleskop wurde dafür zusätzlich am Empfangsteleskop montiert. Im Rahmen von ersten Tests konnten dadurch Sterne bis zur 8. Größenordnung bei Tag dargestellt werden. Kurze Zeit später wurden auch erfolgreich Oberstufen und ausgediente Satelliten dargestellt und dadurch die ungenauen Bahnvorhersagen mit einer Bildverarbeitungssoftware in Echtzeit korrigiert. Mit der vorgestellten Methode konnte letztendlich die Entfernung von Weltraumschrott erfolgreich bis zu einer maximalen Sonnenelevation von 39° über dem Horizont vermessen werden.

Multistatisches Space Debris Laser Ranging

Bei diesem Experiment schickt eine Station (Graz) seinen Laserstrahl zu Weltraumschrottobjekten im nahen Erdorbit. Das Laserlicht wird diffus reflektiert und verteilt sich über ganz Mitteleuropa. Die reflektierten Photonen können von verschiedenen Stationen in Europa detektiert werden. In einer Konfiguration sendete Graz grüne (532 nm) und Wettzell infrarote Photonen (1064 nm) zeitgleich zu einer Raketenoberstufe. Das reflektierte grüne Licht wurde erfolgreich in Graz detektiert, während das infrarote Licht in Graz, Wettzell und Stuttgart detektiert werden konnte. Es konnte dadurch nachgewiesen werden, dass durch multistatische Messungen die Orbitvorhersagen gegenüber herkömmlichen Weltraumschrottmessungen deutlich gesteigert werden können.

Beobachten & Verfolgen

Ein günstiges System bestehend aus einer Kamera und einem Photoobjektiv mit einem Gesichtsfeld von 10° „beobachtet“ einen beliebigen Himmelsausschnitt und nimmt den Sternenhintergrund auf. Auf Basis der Positionen der Sterne lässt sich eine genaue Richtung der Kamera am Himmel berechnen. Sobald sich ein Satellit durch das Gesichtsfeld bewegt, wird dieser automatisch detektiert und die Koordinaten berechnet und gespeichert. Mittels dieser Richtungsinformationen - ohne Vorabkenntnis des Orbits – kann nun sofort ein Orbit des Objektes berechnet werden. Dieser Orbit wird innerhalb des gleichen Durchgangs verwendet, um das Objekt zu „verfolgen“ und gleichzeitig hochgenaue Entfernungsmessungen zu machen. Der gesamte Prozess von der ersten erfolgreichen visuellen Darstellung eines „unbekannten“ Objektes bis zur Entfernungsmessung konnte innerhalb weniger Minuten realisiert werden.

Rotationsperiode und Lagebestimmung

Parallel zur Entfernungsmessung zu Satelliten und Weltraumschrott werden an der SLR-Station in Graz Lichtkurven aufgenommen, die das reflektierte Sonnenlicht charakterisieren. Die Entfernungsmessung mittels Laser benötigt nur das Licht einer spezifischen Wellenlänge (z.B. 532 nm), andere Teile des Lichtspektrums werden zu einem weiteren einzelphotonenempfindlichen Detektor umgeleitet. Mittels eines Field Programmable Gate Arrays (FPGA) werden die detektierten Lichtteilchen mit sehr hoher zeitlicher Auflösung gezählt, wodurch sich Details der einzelnen reflektierenden Oberflächen zeigen. Mit dieser Methode konnten sogar die einzelnen Spiegel des Satelliten Ajisai vermessen werden und Rückschlüsse auf Defekte auf deren Oberfläche gezogen werden. Aufgrund des autonomen Betriebs der Lichtkurvenmessungen während der Entfernungsmessung, konnte in den vergangenen Jahren eine große Datenbank an Lichtkurven zu verschiedensten Objekten aufgebaut werden. Die Analyse von Lichtkurven und Entfernungsdaten von Satelliten und Weltraumschrott erlaubt es, Rückschlüsse auf die Rotationsgeschwindigkeit und Orientierung von Objekten im Weltraum zu ziehen.

Bei Galileo-Satelliten in Orbithöhen von 23.000 km kann ebenfalls die Orientierung des Satelliten bestimmt werden. Die Reflexionen von verschiedenen Retroreflektoren den Panels erscheinen unter bestimmten Bedingungen in konstanten Abständen relativ zum Beobachter. Aus den gemessenen Abständen kann der Einfallswinkel des Laserlichts mit einer Genauigkeit von ca. 0,1° berechnet werden. Die genaue Zuordenbarkeit der Laserreturns zu bestimmten Reflektoren erlaubt es dadurch genauere Entfernungsmessungen durchzuführen.

Infrastruktur