Methoden und Fakten

Satellite Laser Ranging ermöglicht die Entfernungsmessung zu Satelliten mit Retroreflekroten, die unseren Planeten umkreisen. Kurze Laserpulse mit einer Wellenlänge von 532 Nanometern und einer Pulsdauer von nur 10 Pikosekunden werden zu Satelliten geschickt und das zur Station rückreflektierte Licht kann von der Station wieder detektiert werden. Vor seiner Reise in den Weltraum wird der Laserstrahl aus einem Laserraum mittels eines Spiegelsystems in die Kuppel gelenkt und auf einen Enddurchmesser von ca. 7 cm aufgeweitet. Dadurch wird die Divergenz des Laserstrahls reduziert (die „Parallelität“ erhöht) und der Durchmesser des Lichtflecks, der am Satelliten ankommt, reduziert sich. Selbst bei optimaler Divergenz kann der Durchmesser des Laserstrahls in größeren Entfernungen bis zu 100 Meter erreichen. Abhängig vom Orbit des Satelliten variiert die Laufzeit der Laserpulse zwischen 0,002 und 0,25 Sekunden.

Die SLR-Station in Graz misst aktuell mit einer Wiederholrate von 2 kHz, welche bei optimalen Bedingungen 2.000 erfolgreiche Entfernungsmessungen pro Sekunde erlaubt. Die hochpräzise Zeitmessung, wann der Laserpuls einerseits die Station verlässt und anderseits die wenigen reflektierten Lichtteilchen (Photonen) bei der Station wieder ankommen, erlaubt Einzelmessungsgenauigkeiten von bis zu 3 Millimetern. Jeder einzelne Laserpuls enthält ca. 1015 (1.000.000.000.000.000) Lichtteilchen und auf dem Weg ins Weltall und wieder zurück kommen üblicherweise nur einzelne Lichtteichen wieder an. Der Rest der Photonen wird entweder in der Atmosphäre gestreut oder verfehlt den Retroreflektor aufgrund der Aufweitung des Laserstrahls auf seinem Weg durchs All. Die Photonen, die die Erdoberfläche erreichen, verteilen sich auf der Erdoberfläche innerhalb einer Fläche mit einem Radius bis zu 1 Kilometer. Diese Fläche hängt ebenfalls von der Orbithöhe des Satelliten, aber auch vom Durchmesser und der Beschaffenheit des Retroreflektors ab. Relativistische Effekte verschieben dabei zusätzlich das Zentrum des Reflexionsmusters leicht in Flugrichtung des Satelliten. Diese Geschwindigkeitsaberration resultiert von der Relativbewegung zwischen Satellit und Laserstation und ist der Grund, warum Reflektoren genau an den jeweiligen Orbit angepasst werden müssen. Da das Empfangsteleskop in Graz einen Durchmesser von 0,5 Metern hat, können nur wenige Lichtteilchen wieder den Detektor erreichen. Diese Photonen können aber mit hochempfindlichen Einzelphotonendetektoren (Single Photon Avalanche Diode; SPAD-Detektoren) empfangen werden. Die empfangenen Lichtteilchen werden vom Empfangsteleskop gesammelt und auf eine Detektorfläche mit einem Durchmesser von nur 200 Mikrometern fokussiert. Orbitvorhersagen sind dabei nicht nur nötig, um den Satelliten mit dem Teleskop zu verfolgen; der Detektor muss auch genau zum vorhergesagten Zeitpunkt der Rückkehr des Photons aktiviert werden. Dadurch können Fehlmessungen am Detektor reduziert werden. Die Laufzeit der Photonen wird in Echtzeit analysiert und „echte“ reflektierte Lichtteilchen können von Fehlmessungen vom Himmel unterschieden werden.

Beobachtete Satelliten und Performance

Bei Schönwetter beobachtet die SLR-Station im Routinebetrieb mehr als 150 verschiedene Satelliten. Im Jahr 2022 wurden dabei an mehr als 250 Tagen in 2.000 Stunden mehr als 13.000 Überflüge vermessen. In den offiziellen Statistiken des International Laser Ranging Service (ILRS) zeigt sich, dass Graz eine der genauesten und verlässlichsten Stationen weltweit ist.

Die vermessenen Satelliten können in drei Gruppen eingeteilt werden.

  1. Passive/geodetische Satelliten
  2. Satelliten im nahen Erdorbit (Low Earth Orbit)
  3. Navigationssatelliten

Passive oder geodätische Satelliten sind kugelförmig und so konstruiert, dass sie von externen Faktoren - mit Ausnahme des Erdschwerefeldes - möglichst wenig beeinflusst werden. Eine große Anzahl an Retroreflektoren reflektiert eine hohe Anzahl an Photonen, sodass alle SLR-Stationen ein eindeutiges Signal empfangen können. Orbithöhen variieren von 800 bis zu 20.000 Kilometern und der zentrale Einsatzbereich ist eine hochpräzise Vermessung des Erdschwerefeldes und der Beitrag zum terrestrischem Koordinatensystem, dem International Terrestrial Reference Frame (ITRF). Hierbei liefert SLR den wichtigsten Beitrag zum Erdmassenzentrum. Die präzise Kenntnis des Orbits von geodätischen Satelliten erlaubt zusätzlich Rückschlüsse für die Validierung von relativistischen Effekten wie z.B. dem Lense-Thirring-Effekt.

Satelliten im nahen Erdorbit befinden sich in Orbits zwischen 450 und 1.300 Kilometer. Der Einsatzbereich ist vielseitig und umfasst unter anderem die Vermessung von Umweltveränderungen (z.B. Eismassen, Ozeanströmungen, Meeresspiegel, hochauflösende Radarbilder). Genaue Orbits, die für solche Missionen notwendig sind, werden mittels SLR-Daten generiert.

Neben den europäischen (Galileo) und amerikanischen (GPS) Navigationssystemen haben zahlreiche weitere Nationen wie z.B. China (Beidou), Russland (Glonass) oder Indien (IRNSS) eigene Navigationssatelliten in den Orbit geschickt. Die Umlaufbahnen variieren zwischen 20.000 und 36.000 Kilometern, mit Gesamtmassen von bis zu 1.400 Kilogramm. Der Einsatzbereich ist die exakte Positionierung und Navigation auf unserem Planeten.

Zusätzlich zu aktiven Satelliten beobachtet die SLR-Station Graz auch Weltraumschrott mit verschiedenen Techniken.

Megahertz laser ranging

Die SLR-Station in Graz arbeitet stetig an technischen Erweiterungen und Innovationen, die ein wichtiger Teil des Fortschritts der gesamten Laser Ranging Community sind. Verschiedene Technologien sind in Graz entwickelt oder erweitert worden: z.B. Laser Ranging mit Kilohertz-Wiederholraten, time-walk kompensierte Detektoren, Entfernungsmessungen zu Weltraumschott (auch bei Tageslicht) oder Lichtkurvenmessungen mit Einzelphotonendetektoren.

Aktuell forscht die Grazer SLR-Station an der Weiterentwicklung der Station für den Routinebetrieb mit einer Wiederholrate bis 1 Megahertz. Erste Messungen haben ergeben, dass dadurch für Satelliten in niedrigen Erdorbits bis zu 250.000 gültige Entfernungsmessungen pro Sekunde möglich werden.

Durch die gesteigerten Anforderungen an Hardware und Software bei hohen Wiederholraten ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung der wichtigsten Komponenten nötig. Ein zentrales Anliegen der SLR-Station ist es, so viele Komponenten wie möglich selbst zu entwickeln und im Falle eines Defektes auch eigenständig reparieren zu können. Dies ermöglicht es den Gruppenmitgliedern, einen tiefgehenden Einblick in die Funktionsweise der Station zu bekommen. Auch die Schnittstellen zur Steuerung des Teleskops, das Echtzeitprogramm zur Entfernungsmessung von Satelliten, FPGA-Interfaces oder Programme zur Bildanalyse bzw. Datenverarbeitung sind Eigenentwicklungen des IWF. Das fachspezifische Wissen der Grazer SLR-Station hat die Teilnahme an verschiedenen internationalen Projekten ermöglicht, mit dem gemeinsamen Ziel, neue, moderne SLR-Stationen zu bauen oder bestehende zu modernisieren bzw. auf Weltraumschrottmessungen zu erweitern. Das IWF entwickelt, simuliert und baut dafür Laser- und Empfängerpakete in modularer Bauweise.

Laser- und Empfangspakete

Ein gestiegener Bedarf an Observatorien, die in der Lage sind, Satelliten oder Weltraumschrott zu beobachten bzw. auch optische Kommunikation zu realisieren, erfordert genaue, kosteneffiziente, verlässliche aber trotzdem einfach zu bedienende Einzelkomponenten. Das IWF Graz entwickelt dazu modulare Laser- und Empfangspakete für verschiedene Stationen weltweit (unter anderem: Teneriffa, Japan, Spanien). Im Jahr 2022 wurde die erste derartige Station (Izana-1) am Teide auf Teneriffa offiziell der ESA übergeben. Die Station ist nun ein erfolgreicher Teil des ILRS-Stationsnetzwerks und liefert bereits hochgenaue Daten.

Die optischen Komponenten basieren zumeist auf seriengefertigten (commercial off-the-shelf, COTS) Komponenten und werden mit Hilfe von Raytracing-Software simuliert und ausgewählt und an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst. Laserpakete bestehen aus zwei separaten Aufweitungsteleskopen. Ein kollimierter Teil zwischen den beiden Optiken ermöglicht z.B. eine Bildanalyse des atmosphärisch gestreuten Laserlichts oder die Visualisierung von Sternen für Justierungszwecke. Durch eine Kombination von Verzögerungsplatten und polarisierenden Strahlteilerwürfeln kann eine Leistungsmessung des Laserstrahls realisiert werden. Eine Linse ist in einem beweglichen Linsenhalter montiert, die eine flexible Einstellung der Divergenz erlaubt. Mit Hilfe eines verkippbaren Spiegels kann die Richtung des Laserstrahls beeinflusst werden.

Empfangspakete sind in einem der Nasmyth Foci eines astronomischen Teleskops montiert. In Strahlrichtung kann mit einer Gesichtsfeldblende das Hintergrundrauschen des Himmel reduziert werden. Danach werden die vom Satelliten empfangenen Photonen zu einem Durchmesser von ca. 1 cm kollimiert. Verschiedene Spiegel separieren das einfallende Licht nach Wellenlänge und leiten es zu verschiedenen Detektor-Modulen weiter (z.B. zu Einzelphotonendetektoren für grünes und infrarotes Licht, Lichtkurvendetektoren oder Strahleinstellungskameras).

Laser- und Empfangspakete sind temperiert und beinhalten alle benötigten Schnittstellen, um z.B. die Verbindung zu anderen Komponenten der Laser Ranging Station herzustellen.

Infrastruktur